Bin ich froh, dass es Montag ist!
Zuhause war es mir dieses Wochenende fast ein bisschen zu aufregend. Eigentlich hatten wir einen sehr entspannten Sonntag, ich habe mit großem und kleinen Herzensmensch im Bett warmen Milchreis gefrühstückt und den Nieselregen draußen mit Kuscheln kompensiert. Dann haben wir ein bisschen Verstecken gespielt, ein bisschen auf dem Teppich getanzt und ein kleines Autorennen veranstaltet. Dann war es auch schon Zeit für den Mittagsschlaf. Ich war schon fertig angezogen, um mit Mini rauszugehen und ihn im Kinderwagen in den Schlaf zu schaukeln. Ich wollte nochmal kurz ins Bad, während Mini an seiner Zimmertür rumgespielt hat, wo auch seine kleine Garderobe ist. Ich habe einen Moment gebraucht, das das Geräusch nicht von einem Reißverschluss oder einem Spielzeug kommt, sondern von einem Zimmerschlüssel. Als ich mich umgedreht hatte ist mir meine “Nicht damit spielen”-Belehrung im Hals stecken geblieben: Die Tür war zu. Ganz zu. Zugesperrt.
Mini stand noch an der Tür und hat weiter den Schlüssel gedreht. Auf der anderen Seite… Ich hab all meine Motivations- und Überredungskünste eingesetzt um ihn dazu zu bringen, doch nochmal in die andersrum zu drehen. Ging nicht, da war der Widerstand vom Riegel, und wenn mensch erst so gerade an den Schlüssel kommt, hat mensch nicht genug Kraft da drüber zu drehen.
Verdammt, ich habe die Fenstergriffe abmontiert, aber den Schlüssel nicht abgezogen?? Wieso war da überhaupt ein Schlüssel? Wieso auch noch innen?? An keiner anderen Tür steckte einer.
Diesen einen, verflixten Schlüssel fand Mini dann auch schnell langweilig und nachdem ich ja offensichtlich nicht reinkommen wollte, hat er alleine angefangen Duplo zu spielen. Während ich langsam in Panik verfallen bin. Die Nachbarn müssen ein bisschen irritiert gewesen sein, als ich geklingelt habe und konfus Schlüssel von ihnen haben wollte. Aber weil sie auch Eltern sind haben sie schnell verstanden, warum ich jetzt sofort alle ihre Zimmerschlüssel brauche. Leider hat keiner gepasst. Während meine Gedanken von Schlüsselnotdienst zu Tür aufbrechen und zurück gerast sind, habe ich mit Engelszungen auf Mini eingeredet. Und tatsächlich habe ich ihn dazu gebracht, einen Stuhl von der anderen Seite des Zimmers zur Tür zu tragen und draufzukletten. Durchs Schlüsselloch konnte ich seine kleine Hand sehen. Die Hand war aber leider abgelenkt, denn irgendwoher ist ein Aufkleber aufgetaucht und der musste jetzt an die Tür geklebt werden. Prioritäten und so. Abgesehen davon, dass die Türangeln innen sind und mit außer aufbrechen nichts sinnvolles eingefallen ist, ist mir auch noch klar geworden, dass alles Werkzeug im großen Einbauschrank im Kinderzimmer verstaut sind.
Ich bin also nochmal im ganzen Haus hoch und runter und habe an allen Türen geklingelt. Langsam hat es sich immer mehr nach einem schlechten Alptraum angefühlt. Keine einzige Tür ging auf, als ob ich in einem Geisterhaus lebe. Zurück in der Wohnung fand Mini das Spiel “Mama kommt nicht rein” wohl langsam nicht mehr so lustig. Übermüdet und allein war er nur noch mit der Aussicht auf Gummibärchen bei Laune zu halten. Ich habe ihm alle Gummibärchen der Welt versprochen, wenn er den Schlüssel unter die Tür schiebt. Mittlerweile war mein Lieblingsnachbar von nebenan da, leider haben seine Schlüssel auch nicht gepasst, aber mit einem eingeklemmten Werkzeug konnten wir einen groß genügen Spalt zwischen Tür und Schwelle schaffen. Nur war Mini an diesem Spiel nicht sonderlich interessiert. Zuviel andere spannende Sachen in seinem großen Spielzimmer.
Ich war mittlerweile total durch. Mein Kind war eingesperrt und auch wenn es bis dahin ziemlich gelassen war, irgendwann würde es Angst kriegen und ich konnte nicht zu ihm. Kopflos habe ich all meine Jackentaschen durchwühlt, irgendwo hatte ich noch eine Mini-Packung Gummibärchen, vielleicht würden die unter der Tür durchlassen, vielleicht würde der Zuckerschub ihn motivieren den Schlüssel rauszuschieben oder umzudrehen. Keine Gummibärchen, nur Taschentücher, Kleingeld, Lipbalm und – was war das? Ein Schlüssel. Ein Zimmerschlüssel. Was macht der in meiner Jackentasche? Egal, letzte Hoffnung. Er hatte einen komplett anderen Bart, als der, der in der Tür gesteckt war, aber ich habe es irgendwie geschafft, ihn in das Schloss zu kriegen. Ich konnte ihn ein bisschen drehen, aber habe den Riegel nicht gehört. Erst als der Lieblingsnachbar mir gesagt hat, dass ich ja schon einmal rumgedreht habe, habe ich hoffnungslos die Türklinke gedrückt. Die auf einmal aufging! Ich bin mir sicher, hätte da nicht so ein komplett nonchalanter Zwerg gestanden und nach Gummibären gefragt, ich wäre heulend vor ihm auf die Knie gefallen. So hab ich ihn einfach nur ganz lang ganz fest gehalten, während eine magische Hand uns Gummibärchen zugesteckt hat.
Jetzt sitze ich im Zug und auch wenn ich in jetzt schon vermisse bin ich ganz froh, dass für die nächsten zwei Tage jemand anders die Hauptsorge trägt und ich sorgenlos vor mich hinarbeiten darf.
Mein Job ist mir wahnsinnig wichtig ich stecke sehr viel Herzblut in das was ich tue. Und klar gibt es natürlich auch mal Situationen, wo etwas schiefläuft und dass stresst mich auch. Aber am Ende ist es halt ein Job und kein Minimensch, der mal ein Teil von mir war.
Die Woche beginnt mit einem Arbeitsfrühstück mit dem Public Affairs Team, meine großartige Kollegin Judith hat mich mit Croissants zu einem Meeting um 8:30 geködert. Danach bespreche ich mit unserer COO wie wir die interne Kommunikation weiter verbessern können. Das ist schon für “normale” Unternehmen, die so schnell wachsen eine Herausforderung, wir sind aber in drei Jahren nicht nur von 40 auf 140 Mitarbeiter:innen gewachsen sondern die sitzen auch noch an ungefähr 70 Standorten in mindestens 9 Zeitzonen. Eine Social Media Managerin in Panama hat andere Bedürfnisse was die Unternehmenskommunikation anbelangt als ein Machine-Learning Experte in Russland. Für mich ist es immer super spannend, herauszufinden, warum Menschen ticken wie sie ticken und wie ich meine Botschaften verpacken muss, damit sie bei ihnen ankommen. Und ich freue mich sehr, dass wir das als Unternehmen so gezielt angehen. Leider habe ich mittlerweile zu viele Aufgaben und kann interne Kommunikation nicht in dem Umfang betreuen, wie ich das gerne würde. Ich suche deshalb nach eine:r Expert:in, die das als Teil meines Teams übernehmen kann.
Eine meiner anderen Aufgaben ist nach wie vor das Vertreten von eyeo und Adblock Plus in den Medien und bei Veranstaltungen. Jedes Mal, vor ich mich auf ein Podium setze oder vor eine Kamera setze, besinne ich mich nochmal kurz darauf, welchen Hut ich gerade aufhabe. Es macht natürlich einen Unterschied, ob ich als Laura über Feminismus spreche, als Unternehmenssprecherin über Nutzer:innenrechte oder als Grüne über das netzpolitische Parteiprogramm. Auch wenn ich das große Glück habe, dass meine Arbeitgeberin feministische Werte vertritt und meine Partei Adblocking gut findet, will ich, dass für mein Gegenüber und mein Publikum immer klar ist, in welcher Rolle ich spreche und wen ich vertrete. Was natürlich nicht immer ganz einfach ist, wenn man mindestens drei Rollen in Personalunion bespielt. Manchmal rede ich mit Mandatsträger:innen über die rechtliche Situation von Adblocking in Deutschland und im Gespräch kommen Fragen zu grünen Positionen auf. Dann kommt es schonmal vor, dass ich die verschiedenen Hüte nicht als Idee in meinem Kopf habe sondern genau so anspreche. “Ich zieh mal kurz meinen grünen Hut auf” habe ich definitiv schon mehr als einmal so gesagt und ich hoffe, niemand hielt mich für zu schizophren.
Nur als ich letzte Woche bei einem Termin bei Dorothee Bär war, um mit der Staatsministerin für Digitales über Adblocking und Disruption in der deutschen Medienlandschaft zu sprechen, da habe ich den grünen Hut auf der mentalen Ablage zuhause gelassen. Die grün-schwarzen Gemeinsamkeiten auszuloten überlasse ich dann doch lieber anderen. Es lag sicher nicht nur daran, aber das Gespräch war nicht nur super erfolgreich sondern auch wirklich sehr nett. Und ich bin ein bisschen neidisch auf ihr Büro!
Morgen sitze ich tagsüber mit eyeo Kolleg:innen in einem gemeinsamen Workshop, abends dann als explizit Grüne mit anderen Politiker:innen bei einer Sonderausgabe des netzpolitischen Abends, wo es um die Digitalthemen für die Europawahl gehen wird. Wahrscheinlich habe ich dazwischen wiedermal keine Zeit um mich zuhause “richtig” umzuziehen, es bleibt also mal wieder beim mentalen Hutwechsel. Mittwoch und Donnerstag bin ich von 9 bis mindestens 18 Uhr wieder professionelle Adblockerin, am Donnerstag um 19 Uhr leite ich zusammen mit meinem Parteifreund Michael die Sitzung der grünen LAG Digitales und Netzpolitik, es wird um digitale Wahlwerbung gehen und ich werde Jan, der bis 18 Uhr mein Kollege war, zuhören, wie er als AG-Mitglied über die (mangelhafte) Selbstregulierung der großen Plattformen referiert. Und hoffen, dass er mich wenn ich kommentiere oder frage nicht als seine Ex-Chefin sieht sondern als komplett gleichberechtigte Grüne.
Vielleicht sollte ich mir Pins besorgen, damit sofort immer sichtbar ist, als was ich gerade spreche? Ich sehe schon blutige Fingerspitzen wegen zu hektischen Wechseln… Zum Glück sieht mensch auf schwarz keine Blutflecken!
Zum Glück kommt nach Donnerstag erstmal ein langes Osterwochenende.
Wait, wieso schreibe ich zum Glück? Klar freue ich mich auf ein paar freie Tage. Aber das wahre Glück ist doch, dass ich so privilegiert bin, in so vielen Kontexten öffentlich meine Meinung sagen zu können! Ist ja nicht so, dass mir irgendjemand diese Hüte aufgesetzt hat während ich schlief. Ich habe sehr viel gearbeitet, geschrieben und gesprochen, um all diese Hüte aufziehen zu dürfen. Und ich habe nicht vor, auch nur einen davon wieder abzugeben!
Einen behüteten Start in diese kurze Woche, Euch allen!
und ich habe den schon leicht knatschigen Mini angezogen seine Jacke zu holen, damit
Ich gehöre ja eher nicht zu den überemotionalen Müttern, aber dieser Spruch, dass ein Kind sowas wie ein zweites Herz aber außerhalb Deines Körpers ist