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Wahlkampf und Wassermelone

Am Sonntag ist Europawahl.
Heute Nachmittag war ich mit Mini beim “Startschuss zum Endspurt” für den Grünen Wahlkampf. Es gab Musik und ein paar kurze Reden und viel, viel Wahlkampfmaterial. Flyer und Sticker und Nähzeug und Gummibärchen und Ballons.
Während sich eine große Gruppe die grünen Jutebeutel vollgestopft hat, um zum Kneipenwahlkampf loszuziehen, habe ich mich mit Michael Kellner unterhalten. Unser Chefwahlkämpfer hat mir erzählt, wie viel Spaß ihm Haustürwahlkampf macht und ich musste gestehen, dass ich die Vorstellung bei fremden Menschen zu klingeln ziemlich schrecklich finde. Und habe mich ein bisschen schlecht dabei gefühlt. Auch, weil ich in diesem Wahlkampf lange nicht so aktiv war wie im letzten. Mini und Kind und all das…

Auf dem Heimweg waren wir noch schnell einkaufen, denn Mini hatte großen Bedarf nach Wassermelone. Vor dem Eingang stand ein junger Mann mit einem Pappbecher in der Hand, der da nicht nur stand sondern wirklich alle angesprochen hat. Mit einer Begrüßung. “Hey, wie gehts Dir?” “Hallo, schönen Tag!” und eben auch “Am Sonntag Wählen gehen, ja?”
Da musste ich ihm natürlich beipflichten. In dem Moment kam der Securitymitarbeiter aus dem Laden vor die Tür um bei seinem inoffiziellen Kollegen ein bisschen frische Luft zu schnappen. “Nee, auf keenen Fall, ick geh nie wählen!” liess uns der große, breitschultrige Typ mit Tattoos auf beiden Armen wissen, als ich gerade dabei war, Mini und Melone auf den Fahrradsitz zu schnallen. Und schon waren wir mitten im Wahlkampf. Weder Pappbecher-Man noch ich konnten das so stehen lassen. Wir haben uns erstmal einen Rant über Politik und Politiker und diese Grüne mit den bunten Stiften im besonderen angehört. Pappbecher-Man (dessen Namen ich leider nicht erfragt habe), hat sich sehr schnell als Linken-Sympathisant geoutet und als der Security-Mensch meinte “Ich hasse alle Politiker”, habe ich ihm gesagt, dass er ja dann auch mich hasst, denn ich bin ja bei den Grünen. Nee, mich ja jetzt nicht, aber “eben die da oben”. Dann haben Papp-Man und ich als Team Demokratie erstmal erklärt, warum Nichtwählen die Rechten und Faschisten stärkt. Mein Beispiel “10 gehen wählen, einer wählt AfD, 10% für die AfD, 9 gehen wählen, 1 wählt AfD, 20% für die AfD” ist mir im Eifer des Gefechts mathematisch etwas daneben gegangen, aber es ist niemandem aufgefallen. Dafür ist die Grundlogik angekommen.
Der Sicherheitsmann hatte genug Beispiele was aus seiner Sicht falsch läuft. Löhne, die nicht zum Leben reichen, Jugendliche, die unbetreut im Kiez rumstreunen, unbezahlbare Mieten. Gerade Papp-Man war es, der ihn darauf hinwies, dass man ja immer über die schlechten Sachen rede, aber viel zu wenig sieht, was gutes passiert. Zum Beispiel, dass letztes Jahr 60.000 Wohnungen gebaut wurden. Erst auf die Frage “Ja, warum haste dann keene?!” konnte er dann leider nicht mehr so schlagfertig antworten.
Aber gekonnt hat er das Gespräch auf den überall in Europa wachsenden Rechtspopulismus gelenkt und dass wir alle was dagegen tun müssen. Wenigstens wählen.
Der nie-wählende Security war nicht überzeugt. “Die regieren uns hier doch gar nicht, und die anderen, sie sind alle gleich scheiße.” Uns war klar, dass Parteiwerbung hier vergebens war. Aber zum Wählen kriegen wollten wir ihn. Also haben wir ihm vorgeschlagen, wenigstens ungültig zu wählen und erklärt, warum das ein Unterschied zu Nicht-Wählen ist. “Hm, ja, kann ick ja machen.” Yes!
“Und vielleicht findest Du ja doch noch eine Partei, die Du ein bisschen weniger beschissen findest.” hab ich nachgelegt und ihn gefragt, ob der denn den Wahlomat kennt. Kannte er nicht. Die Idee, per Quiz rauszufinden, wofür Parteien stehen, hat ihn immerhin zum Schmunzeln gebracht.
Dann war es auch schon Zeit für ihn, an seinen Platz hinter den Kassen zurückzugehen. “Unbedingt wählen, ok?” tönte es vom Team Demokratie.
“Jahaaa!” kam es aus der Eingangstür zurück.
Und ich konnte mit ziemlich gutem Gefühl nach Hause radeln.

Wahlkampf ist überall. Politik ist überall.
Morgen ist noch ein ganzer Tag, an dem wir alle über Politik reden können. Über Europa und warum es so unfassbar wichtig ist, für ein soziales, demokratisches und grünes Europa zu wählen.
Dafür muss mensch nicht bei wildfremden Menschen klingeln, es reicht, denen, die uns den ganzen Tag über begegnen, einen schönen Wahlsonntag zu wünschen.
Und zu gucken, ob sich daraus nicht ein Gespräch entwickelt.

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