Ein Glück, dass ich heute morgen keine Zeit hatte, diesen Post zu schreiben. Denn dann hätte ich ziemlich wahrscheinlich einmal mehr beklagt, dass der Tag zu wenig Stunden hat.
Hat er ja auch. Was eben immer wieder zu Stress und Problemen führt, bei mir wie bei anderen. Die schönzureden, bringt absolut nichts und es braucht dringend systematische Veränderungen. Und trotzdem schreib ich lieber einen Post über schöne Montagsdinge, als seitenlang nur zu rumzuheulen.
Eigentlich dachte ich, der Montag wird genauso stressig wie die letzte Woche. Ich war an drei Abenden zu fünf Veranstaltungen eingeladen und bin zu vieren gegangen. Einem Tach-Netzwerk-Dinner mit zuvielen weißen Männern, einer grünen Mitgliederversammlung mit sehr vielen, sehr bunten Menschen und zwei digitalpolitischen Verbandsneujahrsempfangsdingsien mit zuvielen Namensschildern, dafür guten Kaltgetränken. Geklappt hat das alles dank Herzensmensch, Babysitterin, Kindsvater und meinem Fahrrad, das mich schneller als der Bundestagsfahrdienst durch Berlin trägt. (Passiert auch nur in Berlin, dass mensch einem Abgeordneten zugucken kann, wie er sich bei vier schwarzen Limos durchfragt, um die seine zu finden.)
Donnerstag und Freitag habe ich zudem tagsüber in einer non-stop Videokonferenz verbracht, wir haben das erste rein digitale Firmenevent veranstaltet, es war sehr lustig, lehrreich aber eben auch: lang.
Dementsprechend platt war ich, als ich Mini am Freitag von der Kita abgeholt habe. Leider hatten wir kein einziges Blatt Klopapier mehr zuhause, also mussten wir erstmal einen kleinen Ausflug zum Drogiemarkt machen. Eine Stunde und gefühlter 100 Wiederholungen von KannichdashabenNeindasbrauchenwirnicht später waren wir wieder zuhause. Ohne Klopapier selbstverständlich, denn offensichtlich war mein Kopf wegen Überfüllung geschlossen. Zum Glück gibt es Taschentücher und überhaupt, pinkelt in der Dusche, es spart Wasser!
Samstags durfte Mini das Programm bestimmen und überraschenderweise wollte er einfach nur den ganzen Tag Lego spielen. Machbar. Ich wollte aber auch gerne noch ein bisschen Zeit für mich haben, und habe mich schon gefreut, als er relativ früh am Abend anfing zu gähnen. Also Schlafanzug angezogen und ab ins Bett. Aber auf einmal war Mini gar nicht mehr müde. Ok, noch eine Geschichte. Ja, ich hol Dir noch was zu trinken. Komm wir kuscheln. Doch, Batman schläft jetzt bestimmt auch schon.
Entweder wollte Mini mir das Leben (oder den Samstag Abend) versauen oder das Gähnen war Fehlalarm. Da ich ja der absolut felsenfesten Überzeugung bin, dass ich ein zuckersüßes und grundgutes Kind gemacht habe, kann es nur zweites gewesen sein…
Was nicht viel an meinem wachsenden Frust geändert hat. Einfach noch ein bisschen unverplante Zeit zur freien Verfügung haben. Als ich angefangen habe, über die nächsten Tage nachzudenken, wurde mein Frust nur schlimmer, keine Me-Time in Sicht, nirgends. Stattdessen, Meetings, To Dos, Deadlines. Ich gute Lust gehabt Mini anzuschreien, dass er jetzt sofort schlafen muss. Aber erstens schreie ich mein Kind nicht an, niemals nimmer nicht, und zweitens war mir trotz Frust sehr klar, wie absurd und unsinnig ist, jemenschen zu befehlen zu schlafen.
Also habe ich versucht durchzuatmen und in meinem geistigen Kalender den nächsten unverplanten Slot zu finden während der Abend im dunklen Kinderzimmer geronnen und veronnen ist.
Zeit ist und bleibt die ewig zu knappe Ressource in meinem Leben und im Leben vieler anderer, die Beruf, Familie und dann vielleicht noch Ehrenamt zusammenbringen wollen. Ich wollte einfach nur ein bisschen jammern, als ich dazu am Mittwoch Abend was getwittert habe. Am Tag darauf hatte ich unzählige Antworten von vielen anderen, die teilweise ihr politisches Engagement aufgegeben haben, weil sie sonst keine Zeit mehr für ihre Kinder gehabt hätten, Eltern, die oft genauso zerrissen sind wie ich. Politikerinnen, die Statistiken kennen, die belegen, dass Frauen im “Familienalter” in der Politik kaum vertreten sind und einem Forscher, der in einer anderen Statistik den Zusammenhang zwischen persönlicher Zufriedenheit und Zeit für ein Ehrenamt verdeutlicht. Wir haben ein Problem. Teresa hat in ihrer phänomenale Kolumne kürzlich darüber geschrieben, wie irrsinnig es ist, durch die Lebensmitte zu hetzten und auf Erholung nach der Rente zu hoffen. Abhilfe nicht in Sicht.
Mit dementsprechender Laune bin ich heute morgen aufgewacht. Nicht wirklich motiviert für den nächsten Job-Kind-Politik-Marathon, aber was solls, Augen zu und durch.
Erstmal aber Augen aufkriegen. Und was war da, auf einmal habe ich einen Tee ins Bett gebracht bekommen. Oh! Meine schlechte Laune hatte keine Chance, ich musste mich erstmal des Lebens mit dem Herzensmenschen freuen. Das hab ich dann allerdings ein bisschen zu lange getan, weshalb ich ein bisschen zu spät ins Büro gekommen bin. Also keine Zeit für einen morgendlichen Montagspost sondern erstmal Meetings vorbereiten. Ganz oben auf der Agenda stand meine erste Online-Mentoring-Session für Frauen in Tech. Noch vor ich allerdings dazu gekommen bin, anderen Frauen bei ihrer Karriereplanung zu beraten, flatterte mir das beste Angebot einer Headhunterin, das ich jemals bekommen habe ins Haus. Keine Sorge liebe Kolleg:innen, ich bin hier zu happy, aber meiner Laune hat es doch ziemlich gut getan. Auch die Mentoring-Runde lief super gut, ich durfte tolle Frauen kennenlernen und mich mit Ihnen über den Einstieg bzw. Aufstieg in der Digitalbranche unterhalten. Ich habe werde dieses Format definitiv weiterführen, in der Hoffnung irgendwann mehr Frauen, Queers und PoC in diesem Feld zu sehen!
In meiner 10-minütigen Mittagspause habe ich mich durch sämtliche Social Media Plattformen geklickt und bin über eine weitere freudige Nachricht gestolpert, diesmal eine Empfehlung auf LinkedIn, in der ich als Führungskraft so hochgelobt wurde, dass ich kurz so rot wie meine Tomatensauce wurde. Von einer queeren Kollegin in Tech. Wenn das kein Zufall ist.
Heute Abend war ich dementsprechend tiefenentspannt, als ich mit Mini ins Bett gegangen bin. Wir haben gebadet und solange gelesen, bis er mir erklärt hat, dass er jetzt die Augen zu macht.
Wenn ich morgen früh die Augen wieder aufmache, dann hoffentlich nicht wieder nur mit Vorhetze sondern mit viel Vorfreude auf all das, was sich doch noch unerwartet in einen vollgepackten Kalender schmuggelt.